Deutsche Lehrer arbeiten am
wenigsten
Das Vorurteil hält sich hartnäckig, es ist nahezu unausrottbar.
Diese 'am wenigsten' bezieht sich sowohl auf den Vergleich mit
anderen Ländern wie auch auf den Vergleich mit der restlichen
deutschen Bevölkerung, also Maurern, Ingenieuren, Großhandelskaufleuten
usw.
Schauen wir mal, was wir dazu an Zahlen finden können.
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Der Vergleich mit der arbeitenden
deutschen Bevölkerung
Es gibt, das ist zunächst mal festzuhalten, nur eine Größe,
die man sinnvoll vergleichen kann, nämlich die Jahresarbeitszeit.
Eine Woche vor der Ersterstellung dieser Seiten (Dezember 2003)
sah ich im WDR-Fernsehen die Sendung 'Hart aber fair' zum Thema
Arbeitszeit in Deutschland. Dort wurde als offizielle Zahl eine
durchschnittliche Jahresarbeitszeit in Deutschland von 1557 Stunden
genannt.
Da ist natürlich jedem klar, dass solche Zahlen gern von den
Arbeitgebern auf den Markt geworfen werden, um ihrer Forderung 'Mehr
arbeiten, weniger verdienen' Nachdruck zu verleihen. Aber es gab
auch von Seiten der Gewerkschaft und der SPD eigentlich nur den
Einwand, dass im Durchschnitt wegen der Überstunden real mehr
gearbeitet wird. Prinzipiell wurde die Zahl nicht angezweifelt,
da muss sie ungefähr stimmen.
Zur Lehrerarbeitszeit gab es vor ca. 5 Jahren eine groß angelegte
Untersuchung der Unternehmensberatung Mummert und Partner. Auftraggeber
war die Landesregierung, nicht ein Lehrerverband!
Unglücklicherweise war das Ergebnis, dass die Jahresarbeitszeit
der Lehrer abhängig von der Schulform zwischen ca. 1750 und
1900 Stunden lag. Die Untersuchung verschwand in der Schublade.
Mittlerweile haben wir eine Verlängerung der Arbeitszeit um
4% (als Ausgleich für die Halbierung des Weihnachtsgeldes und
der Streichung des Urlaubsgeldes) und die Arbeitszeit eines Lehrers
am Berufskolleg (z.B. ich) liegt nun ganz sicher bei mindestens
1900 Stunden pro Jahr. |
Ausfühlicheres |
zu den Untersuchungen von Mummert und Partner
:: mehr ::> |
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Vergleich mit anderen Ländern
Es sind mir zwei große vergleichende Untersuchungen zu den
Arbeitsbedingungen von Lehrern bekannt; diese werden auch in der
öffentlichen Diskussion immer wieder zitiert.
Die eine ist die wohl jährlich aktualisierte Schrift der OECD
'Education at a Glance'.
Die andere ist eine Gruppe von Schriften, die von einer Unterorganisation
der EU-Kommission (EURYDICE) herausgegeben wurde/wird. Sie liegen
z.T. in deutscher Sprache vor und sind, wie auch 'Education at a
Glance' frei im Netz verfügbar.
Kleiner Seitenhieb Richtung Spiegelredaktion: den Kram zu lesen
hat etwas gedauert, aber die Quellen hatte ich nach einer Stunde
Internetrecherche zusammen. Schon mal was von Google gehört?
'Education at a Glance' (EaaG) ist - wenn man
sich rein auf die Frage der Arbeitszeit beschränkt - eine Excel-Tabelle
mit Angaben zur jährlichen Arbeitszeit, zur Zahl der Unterrichtswochen
und zur Zahl der Unterrichtstage. Auszug (die letzte Spalte ist
berechnet mit StdproJahr : Unterrichtswochen x 4/3 = U.Std.(45')
pro Woche)
Land |
Std/Jahr |
UTage |
UWochen |
UStd/Wo |
USA |
1127 |
180 |
36 |
42 |
Deutschland |
735 |
189 |
40 |
24,5 |
Finnland |
555 |
190 |
38 |
19,5 |
Vernünftige Quellenangaben habe ich nicht gefunden, nur die
Fachministerien der aufgeführten Länder werden erwähnt.
Die Studie der EU-Kommission (Working Conditions
and Pay) heißt nicht nur so, sie ist auch eine Studie. Sie verhält
sich zu 'Education at a Glance' wie eine Diplomarbeit in Metereologie
zur Bauernregel 'Regen im Mai, April vorbei'.
Hier wird das, was von der OECD in ein oder zwei Tabellen gekippt
wird, sehr ausführlich, differenziert und mit Beschreibung
der Rahmenbedingungen analysiert und dargestellt. Die Zahlen beziehen
sich (grob gesagt) auf den Bereich der in Deutschland mit Sekundarstufe
I bezeichnet wird. Es werden nur europäische Länder untersucht:
v.a. die EU-Staaten, die Beitrittsländer und -kandidaten.
Die Zahlen sind zwar denen in EaaG ähnlich, aber ungleich
differenzierter. Mal ein Beispiel: Für Deutschland wird als
untere wöchentliche Zahl der Unterrichtsstunden 23 und als
obere Grenze 28,5 angegeben.
In NRW sind die Zahlen: Gesamtschullehrer 25,5 (Sek I und II), Gymnasiallehrer
25,5 (Sek I und II), Hauptschullehrer und Realschullehrer 28 (nur
Sek I, daher ist das der vernünftige Vergleichswert).
Diese Situation wird von der EU-Studie abgebildet, vom OECD-Papier
sicher nicht. |
Ausführlicher |
OECD-Studie 'Education at a Glance' mit Angaben
zur Quelle.
:: mehr ::>
Studie der EU-Kommission (EURYDICE) mit Angaben zur Quelle.
:: mehr ::> |
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Schlussfolgerung
- Lehrer arbeiten ganz deutlich mehr als der Durchschnitt der
Bevölkerung, da gibt es sicher keinen Zweifel.
Der Vergleich mit anderen Akademikergruppen ist schwer zu führen,
mir ist da keine ausführliche Untersuchung bekannt.
Es gibt aber Vergleichszahlen der deutschen Ingenieure, bei denen
auch die Lehrer erwähnt werden. ::
mehr :>: auf der "Gehaltsseite".
- Im europäschen Vergleich sind deutsche Lehrer, was die
Unterrichtsbelastung angeht, ganz klar die Spitzenreiter.
Nirgendwo sonst in Europa müssen Lehrer soviel unterrichten.
- Im internationalen OECD-Vergleich muss man schon absolute Entwicklungsländer
als Vergleich heranziehen, wenn man höhere Unterrichtsverpflichtungen
finden will, bei den sog. Schwellenländern habe ich keine
Beispiele gefunden. Und so richtig gut schneiden Entwicklungsländer
bei PISA nicht ab, das kann also keine Zielvorstellung sein.
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